Die Antistress-Lüge: Warum Widerstand zwecklos ist

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Antistress. Ein Wort, das heutzutage in aller Munde ist. Es scheint, als ob jeder von uns gestresst ist – sei es aufgrund von Arbeit, Familie, Beziehungen oder den täglichen Herausforderungen des Lebens. “Wie toll, dass Du jetzt Stress Mentorin bist! Ich möchte auch sooooo gerne endlich stressfrei leben!” So höre ich es daher in letzter Zeit ganz oft in meinem privaten Umfeld. In Interviews oder beim Small-Talk werde ich nach meinen “3 besten Antistress Tipps” gefragt. Und soll ich Dir was sagen? Für mich ist Antistress eine Lüge!

Ich verstehe den Hintergrund der Antistress-Lüge: Wenn wir schon viel zu lange im Dauerstress gefangen sind, scheint es uns, als wenn der einzige Ausweg die komplette “Stressfreiheit” sein könnte. Wir sehnen uns nach vollständiger, immerwährender Entspannung.

Aber ist es überhaupt möglich “stressfrei” zu leben? Zu überleben? Und wenn ja: Ist das auch erstrebenswert? Ich meine: ABSOLUT NICHT! Warum? Das erfährst Du in diesem Artikel über die aus meiner Sicht gefährliche Antistress-Lüge.

“Stressfrei” ist eine Utopie

“Stressfrei”, laut Duden heißt das: “ohne Stress ablaufend; keinen Stress verursachend”. Was Stress überhaupt ist, dazu habe ich in diesem Artikel die wichtigsten Grundlagen zusammengefasst. Dort kannst Du Dir auch den Ablauf einer klassischen Stressreaktion mit Alarmphase, Handlungs- & Entspannungsphase noch einmal ansehen.

Dabei wird deutlich: Stress gehört zu unserem Leben. Jedes mal wenn ein Konflikt zwischen Erwartung und Realität auftritt, verursacht das Stress. Auf diesen Konflikt reagiert der Körper und ermöglicht es uns in diesen Momenten besondere Leistungen zu erbringen. Wenn Du Dir jetzt mal überlegst mit wie vielen Erwartungen wir heute in den Tag gehen, dann kannst Du Dir ungefähr vorstellen, warum ich sage: “stressfrei” zu leben ist eine Utopie.

  • Das Wetter ist anders als erwartet? STRESS
  • Deine Verabredung wird kurzfristig abgesagt? STRESS
  • Du hast Hunger, aber keine Zeit zum Essen eingeplant? STRESS
  • Dein Chef schickt Dir eine dringende Nachricht? STRESS
  • Der Kindergarten ruft während eines wichtigen Termins an? STRESS
  • Du hattest Pläne, bist jetzt aber krank? STRESS
  • Du gehst im Dunkeln nach Hause und triffst auf ein wildes Tier? STRESS

Das letzte Beispiel ist eines der klassischen Beispiele, wenn es um die natürliche Stressreaktion geht. Wir sprechen dann gerne vom “Säbelzahntiger” und machen uns klar, dass es früher so einfach war:

Alarmphase: Säbelzahntiger

Handlungsphase: Flüchten oder Kämpfen (Totstellen wäre noch eine Option, aber nicht allzu erfolgversprechend)

Entspannungsphase: Ausruhen von der körperlichen Anstrengung

STRESS gab es also schon immer. Das mit dem eingebauten Stressabbau durch körperliche Aktivität ist inzwischen weniger geworden. Der STRESS aber sicherlich nicht. Oder kannst Du Dir in der heutigen Zeit ein Leben vorstellen, dass völlig ohne STRESS abläuft? Ich nicht. Dauerhaft “stressfrei” zu leben, halte ich daher für eine Utopie.

“Stressfrei” ist nicht erstrebenswert

Darüber hinaus halte ich es aber auch absolut nicht für wünschenswert “stressfrei” zu leben.

Denn eigentlich soll Stress unser Überleben sichern. Daher halte ich nichts von der Antistress Lüge, denn unser Stresslevel ein geniales Thermostat für die Wichtigkeit einer Sache oder Situation. Wenn wir gestresst sind, signalisiert uns unser Körper, dass etwas von großer Bedeutung ist und unsere volle Aufmerksamkeit erfordert. Diese Wichtigkeit erzeugt in uns eine besondere Energie und einen knallharten Fokus. Indem wir lernen, diese Energie zu nutzen und unsere Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu lenken, sind außergewöhnliche Leistungen erst möglich. Wichtig ist, dass die Stresshormone danach wieder abgebaut werden und wir wieder zur Ruhe kommen. Gefärlich bzw. ungesund wird Stress, wenn wir dauerhaft in der Anspannung verharren.

Wir benötigen also ein gewisses Stresslevel, um überhaupt leistungsfähig und gesund zu sein. Ohne Stress (laut Duden ist “Anspannung” ein Synonym) würden wir morgens gar nicht aus dem Bett kommen. Eines der Stresshormone, das Cortisol, ist dafür verantwortlich, dass wir morgens überhaupt wach werden. Der natürliche Rhytmus sieht vor, dass gegen Ende der Nacht die höchste Konzentration an Cortisol im Körper vorhanden ist. Im Laufe des Tages soll der Cortisolspiegel dann stetig sinken, so dass wir am Abend gut einschlafen können. Wird dieser Rhytmus durch ständig neue Cortisolausschüttung im Tagesverlauf gestört, so ist der Schlaf und damit die wichtige Regeneration in der folgenden Nacht in Gefahr.

Wenn Du mit dem Ayurveda vertraut bist, kannst Du die Phase der Anspannung mit dem feurigen Pitta-Dosha erklären. Bei Pitta denken wir direkt an das Element Feuer und damit passt dieses Bild zur Erklärung der Wirkung von Stress aus meiner Sicht super:

Stress ist wie Feuer: Weder positiv noch negativ.Es kann eine Suppe erwärmen oder uns auch die ganze Bude abfackeln. Stress kann uns Power geben, aber auch krank machen.

Jacob Drachenberg

“Die Antistress-Lüge” sorgt für inneren Widerstand

In der aktuellen Diskussion scheint es manchmal, als ob der “Kampf” gegen den Stress zu einem Hauptziel geworden ist. Stress hat in unserer Gesellschaft einen schlechten Ruf – wir betrachten ihn als Feind, der uns Schwierigkeiten bereitet und unsere Gesundheit beeinträchtigt.

Und natürlich ist es richtig, dass chronischer Stress zu den größten Gesundheitsrisiken unserer Zeit gehört. Da bin ich die Letzte, die das anzweifelt. Gut also, dass da ein Umdenken stattfindet und das Risiko von chronischem Stress immer wichtiger genommen wird. Aber mit dieser Schwarz-Weiß-Malerei und durch die aktuell so weit verbreitete Antistress Lüge erreichen wir aus meiner Sicht gar nichts.

Der Begriff “Antistress” impliziert ja bereits einen Kampf gegen uns selbst und einen inneren Widerstand. Wir versuchen mit aller Kraft diesen Feind zu besiegen. Aber Feuer kann nicht mit Feuer bekämpft werden. Statt uns dem Stress entgegenzustellen und einen scheinbar endlosen Kampf zu führen, sollten wir lernen, ihn in die richtigen Bahnen zu lenken und zu nutzen. Indem wir unserem Stress eine positive Richtung geben und ihn kanalisieren, können wir neue Energie und Motivation gewinnen.

Denn eins ist klar: Widerstand verursacht hier vor allem noch mehr STRESS. Wenn Du dazu gerne mehr wissen möchtest, ist bestimmt auch mein Artikel Resilienz oder Resistenz? für Dich interessant.

“Die Antistress-Lüge” verhindert Akzeptanz

Akzeptanz ist eine sehr wichtige Säule der Stresskompetenz und Resilienz. Nur wenn wir annehmen was ist, können wir auch nach vorne blicken und Lösungen für unsere Herausforderungen finden. Annehmen heißt dabei nicht unbedingt “gut finden”. Es geht darum ganz ohne Bewertung erstmal zu akzeptieren, dass etwas gerade eben so ist.

Es heißt also einfach sich einzugestehen: “Ich bin gerade gestresst.” Oder besser “Ich fühle mich gerade gestresst.” Meiner Meinung nach, wird diese Erkenntnis aber dadurch erschwert, dass die Vielzahl an Antistress-Angeboten uns vorgaukelt, dass ein “stressfreies Leben” möglich ist.

Wenn das so ist und “alle anderen” es also mit diesen Methoden schaffen, ist es für mich doch gleich viel schwieriger mir einzugstehen, dass ausgerechnet ich trotzdem STRESS habe. Übrigens ein weit verbreiteter Irrglaube unter Müttern, dass sie die einzige sind, die mit den neuen Aufgaben überfordert ist.

Die Antistress-Lüge ist daher aus meiner Sicht mit verantwortlich dafür, dass unsere Herausforderungen mit Stress nicht schrumpfen, sondern wachsen. Denn: Wenn ich die Existenz einer Herausforderung nicht annehme, kann ich auch nicht mit der Lösung beginnen.

“Die Antistress-Lüge” kratzt am Selbstbewusstsein

Ein weiteres Problem, welches durch die Antistress-Lüge verursacht wird, ist dass wir mit dem völlig falschen Ziel starten. Wenn wir glauben ein “stressfreies Leben” erschaffen zu müssen, um gesund und glücklich leben zu können, ist Frustration vorprogrammiert. Wir konzentrieren uns dann auf die äußeren Stressreize und versuchen diese aus unserem Leben zu verbannen. Das Ziel ist erreicht, wenn der Stress weg ist. Am besten für immer.

Das ist allerdings zum Scheitern verurteilt und kranzt damit ziemlich am Selbstbewusstsein. Weil ich die äußeren Reize nicht ändern kann und es eben ziemlich viele unvermeidbare Stressreize in unserem Leben gibt.

Ein angeknackstes Selbstbewusstsein ist allerdings auch kein wirklich guter Helfer im “Kampf” gegen den Stress sondern verursacht, Du ahnst es schon: Noch mehr STRESS.

Die Antistress-Lüge verwässert das Problem

Stelle Dir mal vor, jemand mit starkem Übergewicht geht zum Arzt und sucht Hilfe. Was denkst Du wird der Arzt ihm raten? Vielleicht: Oh ja, ich sehe schon, Ernährung ist Ihr Problem. Am Besten gehen Sie mal zu einer Anti-Ernährungs-Beratung?!

Du siehst worauf ich hinaus möchte? Nicht die Ernährung per se ist das Problem. Im Gegenteil, Nahrungsaufnahme ist überlebenswichtig. Aber der Umgang der Person mit ihrer Ernährung scheint nicht optimal zu sein. Also wird daran gearbeitet. Es hilft nichts, wenn wir Nahrung an sich zum Sündenbock machen und verteufeln.

Genauso ist es mit dem Stress auch. Das Wort Antistress führt uns aus meiner Sicht in die falsche Richtung, da es davon ablenkt, dass unsere Bewältigungsstrategien nicht funktionieren. Aber nur wenn wir das erkennen, können wir an unserer Stresskompetenz arbeiten.

Alles eine Frage der Balance

Das “kein Stress” für mich keine Lösung ist, ist Dir inzwischen sicher klar geworden. Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass wir in einem guten Flow zwischen Anspannung und Entspannung am gesündesten und glücklichsten leben.

Über die Phase der Anspannung haben wir bis hierher schon Einiges gehört. Auch, dass es aus meiner Sicht immer einer guten Balance zwischen Anspannung und Entspannung bedarf, hast Du sicher bereits erkannt.

Die Phase der Entspannung lässt sich mit dem Kapha-Dosha beschreiben. Wir fühlen uns ruhig und ausgeglichen. Das muss nicht immer heißen, dass wir unproduktiv sind. Die besten Ideen entstehen ja bekanntlich oft unter der Dusche und nicht am Schreibtisch. Das vorherrschende Element in diesem Dosha ist Wasser. Auch hier lässt sich ein einfaches Bild finden:

Entspannung ist wie Wasser: Weder positiv noch negativ. Wir trinken Wasser um zu überleben, aber eine Flut an Wasser kann sehr zerstörerisch sein.”

Nina in jubellaune

Für eine gesunde Balance braucht es also Beides: Die Aktivierung und Ausführung einer Stressreaktion durch den Sympathikus und die Entspannung und Regeneration durch den Parasympathikus.

Alles folgt einem natürlichen Rhytmus, wie einatmen und ausatmen, Yin und Yang, schlafen und wach sein. Es gibt keine Anspannung ohne Entspannung und umgekehrt. Und darum ist Antistress eine irreführende Lüge.

Mache den Stress zu Deinem Freund

Die Antistress-Lüge macht uns weiß, dass wir, wenn wir uns nur genügend anstrengen, unseren Stress erfolgreich bekämpfen können. Das führt uns aber auf den völlig falschen Weg. Wir betrachten Stress als etwas Schädliches und versuchen, aus aus unserem Leben zu verbannen. Doch dieser Widerstandt gegenüber Stress erzeugt nur noch mehr Spannung und Unwohlsein. Es ist, asl ob wir uns gegen eine natürliche Kraft stämmen, die uns eigenlich helfen will.

Anstatt uns dem Stress mit Gewalt zu widersetzen, sollten wir lernen, mit ihm umzugehen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, wir wir unseren Körper und Geist in Zeiten der stärkeren Belastung schützen und unterstützen können. Es geht nicht darum “stressfrei” zu sein, sondern darum eine gesunde Stresskompetenz zu entwickeln. Das heißt aus meiner Sicht, dass wir lernen unnötigen Stress zu vermeiden und mit unvermeidbarem Stress besser umzugehen.

Wir können lernen, den vorhandenen Stress besser zu bewältigen, unsere Ressourcen zu nutzen und die Herausforderungen des Lebens mit Zuversicht anzunehmen. Das heißt nicht, dass wir niemals hinfallen, sondern, dass wir wissen wie wir wieder aufstehen. Wenn wir unsere Regeneration durch Ruhe- und Schlafphasen nicht vernachlässigen, werden wir aber auch seltener fallen.

Es gibt so viele tolle Möglichkeiten, wie wir unsere Stresskompetenz steigern können. Mir persönlich haben auf dieser Reise vor allem das Verständnis meiner Stress-Anteile sowie zur Stärkung meiner Ressourcen der Ayurveda und auch das Lachyoga sehr geholfen.

Also los! Lasst uns aufhören, gegen den Stress anzukämpfen, und stattdessen lernen, ihn als Freund zu sehen! Das ist der Schlüssel zu mehr Lebensenergie, Leichtigkeit und (Aus-) Gelassenheit!

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