Die Atmung ist eine der grundlegendsten und gleichzeitig kraftvollsten Funktionen unseres Körpers. Sie versorgt uns mit lebenswichtigen Sauerstoff, beeinflusst jedoch auch unsere Stimmung und unser Wohlbefinden. Doch was ist dysfunktionale Atmung? Kurz gesagt, eine Atmung die Ihrer Funktion nicht gerecht wird. Die 7 Qualitäten der gesunden Atmung habe ich Dir bereits im Blogartikel Funktionale Atmung: Atmen kann doch Jede:r, oder? übersichtlich zusammengestellt.
Leider entwickeln viele von uns im Laufe der Zeit eine dysfunktionale Atmung, die sowohl unsere körperliche Gesundheit als auch unser emotionales Gleichgewicht beeinträchtigen können. In Anlehnung an das Buch: „The Breathing Book: Book: Good Health and Vitality Through Essential Breath Work“ von Donna Farhi werden sieben verschiedene Atemmuster unterschieden, die durch körperliche (Haltung, Verletzung, Krankheit) oder emotionale Blockaden (Stress, gewohnte Denkmuster, vergangene Erfahrungen) entstehen können.
In diesem Artikel stelle ich Dir die 7 dysfunktionalen Atemmuster vor, nenne Dir mögliche Ursachen von Atemdysfunktionen und zeige Dir, wie Du sie erkennen und mit gezielten Übungen gegensteuern kannst. Natürlich kann dieser Artikel keine ärztliche Diagnostik ersetzen und es ist immer sinnvoll, dass Du Dich dazu auch mit Deinem Arzt abstimmst und Dir – für die korrekte Umsetzung der Übungen – individuelle Unterstützung durch einen Atem-Coach oder Breathwork Teacher suchst.
1. Dysfunktionale Atmung: Die Brustatmung (The Chest Breather)

Was passiert bei der Brustatmung?
Bei der Brustatmung atmest Du hauptsächlich in die obere Brustregion, während die tiefe Bauchatmung und das Zwerchfell nicht aktiv genutzt werden. Stattdessen wird zum Atmen die Zwischenrippenmuskulatur aktiviert. Diese sehr kleinen haben wenig Bewegungsfreiheit, so dass ein flacherer Atem entsteht. Entsprechend muss die Atemfrequenz erhöht, Du atmest dann also automatisch schneller. Eine solche schnelle Atmung kennt der Körper aus Schrecksituationen, oder schaltet automatisch bei Angst in diesen Modus. Wer auch im Alltag flach in die Brust atmet verursacht daher einen Zustand von Dauerstress, Nervosität und Anspannung.
Ursachen für die chronische Brustatmung
Chronischer Stress, Angst oder auch eine schlechte Körperhaltung (z.B. durch zu viel Sitzen) sind häufige Auslöser der konstanten Brustatmung. Auch zu enge Kleidung oder eine dauerhaft eingezogene Bauchmuskulatur und blockierte Schultern können die Atmung im Brustbereich verstärken. Häufig ist diese dysfunktionale Atmung auch mit Herzkrankheiten und zu hohem Blutdruck verbunden, welche sich auch auf den Stress und die Sorgen zurückführen lassen.
Übungen bei dysfunktionaler Brustatmung
Eine der besten Methoden, dieses Muster zu korrigieren, ist die bewusste Bauchatmung. Lege dazu eine Hand auf Deinen Bauch und eine auf Deinen Brustkorb. Atme langsam und tief durch die Nase ein und beobachte, welche Hand sich zuerst bewegt. Beobachte für eine Weile, wie Dein Atem fließt und achte darauf, ob sich Deine Schultern mitbewegen. Lenke dann Deinen Fokus auf die Atmung in den Bauch. Spüre wie sich Dein Bauch nach außen wölbt, während die Brust ruhig bleibt. Atme dann langsam durch die Nase aus und spüre, wie sich dein Bauch wieder sanft zurückzieht. Für chronische Brustatmer kann es sehr herausfordernd sein, so bewusst in den Bauch zu atmen. Also gib Dir die Zeit, die Du brauchst und übe regelmäßig. Die Hand auf dem Bauch kann dabei gut unterstützen. Auch ist es hilfreich am Anfang im Liegen (entweder auf dem Rücken mit leicht erhöhter Brust oder in Bauchlage) zu praktizieren. Auch in Rückenlage kannst Du Deine Hände auf den Bauch legen, oder ein Kissen oder Bolster als Gewicht, gegen das Du atmest, verwenden.
Wenn die Bauchatmung wieder gut funktioniert, kann im nächsten Schritt auch das Zwerchfell bewusst mit angesteuert werden, so dass sich bei der vollständigen Bauch-Zwerchfell-Atmung die Rippenbögen nach außen bewegen.
2. Dysfunktionale Atmung: Die umgekehrte Atmung (The Reverse Breather)
Was passiert bei der umgekehrten Atmung?
Bei der umgekehrten Atmung zieht sich der Bauch beim Einatmen nach innen, anstatt sich nach außen zu wölben. Das führt zu einer unnatürlichen und ineffizienten Atmung, bei der das Zwerchfell blockiert wird. Auch bei dieser Form der dysfunktionalen Atmung wölbt sich zunächst die Brust nach vorn, zusätzlich wird aber der Bauchnabel während der Einatmung in Richtung Wirbelsäule gezogen. Die Atembewegung verläuft von hinten nach vorne. Der Bauch entspannt sich nicht beim Einatmen und auch der Beckenboden spannt an. Häufig ist dieses Atemmuster mit dem Gefühl der Luftnot verbunden. Dieses kann dazu führen, dass statt durch die Nase durch den Mund geatmet wird, wodurch das Stressempfinden weiter steigt.
Mögliche Ursachen der umgekehrten Atmung
Diese Atemweise kann durch eine hohe körperliche Anspannung, psychischen Stress oder unbewusste Verspannungen entstehen. In vielen Fällen ist sie mit unbewussten emotionalen Blockaden verbunden, die den Körper „einziehen“ lassen. Ein schwaches Zwerchfell begünstigt dieses dysfunktionale Atemmuster. Auch zu enge Kleidung, oder das Gefühl zu dick zu sein bzw. der Wunsch schlank auszusehen, können eine Ursache sein.
Atemübungen für Reverse Breather
Auch bei dieser Atemdysfunktion ist das bewusste Erlernen den Bauchatmung entscheidend. Je nachdem wie lange bereits in diese dysfunktionale Atmung erfolgt, ist das kein leichtes Unterfangen. Ich habe gerade letzte Woche erst wieder eine Frau in einem Workshop erlebt, die sagte: „Das gibt es doch nicht – jetzt musste ich erst 53 Jahre alt werden, um das zu lernen. Ich atme seit Jahrzehnten falschherum!“ Entsprechend wird der Körper sicher eine ganze Zeit benötigen, um sich an die funktionale Atmung zu gewöhnen. Aber es lohnt sich dranzubleiben. Hier geht es vor allem darum, sich auf die korrekte Richtung der Bewegung zu konzentrieren. Versuche dazu Dich bewusst zu entspannen und die natürliche Bauchatmung zu fördern. Lege die Hände auf Deinen Bauch und spüre, wie sich der Bauch beim Einatmen sanft nach außen wölbt. Atme tief ein und lasse den Bauch bei jeder Ausatmung wieder sanft zur Wirbelsäule zurückfließen. Auch die bewusste Bauch-Zwerchfell-Atmung kann in diesem Fall sehr hilfreich sein, da das Zwerchfell trainiert wird und diese Kraft für die korrekte Ausführung der Atmung benötigt wird.

3. Dysfunktionale Atmung: Die kollabierte Atmung (The Collapsed Breather)
Was passiert bei der kollabierten Atmung?
Die kollabierte Atmung zeigt sich durch einen nach innen gezogenen Brustkorb und eine dadurch eingeschränkte Atmung. Auch die Körperhaltung lässt sich als „zusammengefallen“ und nach innen gekehrt sowie wenig aufrecht beschreiben. Die Schultern sind nach vorne gerollt und die Bauchmuskulatur ist nicht aktiv. Oft ist auch das Zwerchfell inaktiv, weil gar nicht genug Platz für die Bewegung ist. Der Atem wird dadurch nach unten „gezwungen“ und führt dort häufig zu Blähungen.

Warum entsteht die kollabierte Atmung?
Dies dysfunktionale Atmung entsteht durch die heute weit verbreiteten Haltungsschäden sehr regelmäßig. Egal, ob durch Bewegungsmangel, zu viel Sitzen, oder auf das Smartphone starren, eine in sich zusammengefallene Körperhaltung kann dieses Atemmuster auslösen. Auch Stress, emotionaler Schmerz oder traumatische Erfahrungen können zu einer Schutzhaltung des Körpers führen und dadurch die kollabierte Atmung verursachen. Es kann also auch ein Zeichen für emotionalen Rückzug oder eine ständige Anspannung sein.
Atemübungen bei kollabierter Atmung
Unabhängig von der Ursache ist eine Verbesserung der Körperhaltung bei dieser Dysfunktion der erste Schritt. Stelle Dir vor, dass Deine Wirbelsäule wie eine „Stange“ wird, die sich nach oben erstreckt. Öffne deinen Brustkorb, und versuche, den Atem tief in den Bauch und die unteren Lungenflügel zu lenken. Auch somatische Übungen wie die „Katzen-Kuh“-Bewegung oder Brustöffner aus dem Yoga können dabei helfen, den Brustbereich zu weiten und den Atem wieder freier fließen zu lassen. Neben den oben beschriebenen Atemübungen zur Konzentration auf die Bauchatmung und das Zwerchfell ist für den Collapsed Breather die vollständige Yogaatmung besonders hilfreich, da diese dreistufige Atmung (Mahat Yoga Pranayama) den Fokus auf die unterschiedlichen Atemräume legt. Wir belüften dabei alle drei Teile der Lunge und Bewegen nacheinander den Bauchraum, dann die Rippen (durch die Zwerchfellbewegung) und anschließend den Brustraum. Versuche diese Übung doch zur Verdeutlichung mal im Stehen, zunächst in nach vorne gebeugter, also kollabierter Haltung und dann aufrecht stehend. Merkst Du den Unterschied? Genau, wenn wir aufrecht stehen, haben wir mehr „Raum“ zum Atmen. Besonders gut kannst Du die yogische Vollatmung in Rückenlage auf einem Bolster üben – das wirkt herzöffnend, weitet den Brustkorb und trägt dadurch zur Verbesserung der Haltung bei.
Natürlich ist es auch wertvoll sich die Gründe für die schlechte Haltung genauer anzusehen. Neben der rein physischen Betrachtung können dann auch sinnvolle Übungen zum Beispiel zum Stressabbau, zur Unterstützung der Auflösung der Schutzhaltung, oder zur Ausbalancierung und Regeneration sein.
4. Dysfunktionale Atmung: Die eingefrorene Atmung (The Frozen Breather)

Was passiert bei der eingefrorenen Atmung?
Die eingefrorene Atmung ist durch eine Art der Atemhemmung gekennzeichnet. Der Atem bleibt in einem stagnierenden Zustand hängen, oft im Einatmen, und es fehlt die natürliche Dynamik zwischen Ein- und Ausatmung. Kennst du das Gefühl, den Atem unbewusst anzuhalten, während du hochkonzentriert arbeitest oder auf etwas wartest? Vielleicht ertappst du dich dabei, erst wieder tief durchzuatmen, wenn du eine Aufgabe abgeschlossen hast – wie zum Beispiel, nachdem du auf „Senden“ einer E-Mail gedrückt hast. Das wäre dann eine sogenannte E-Mail-Abnoe. Im Allgemeinen nennt man dieses Muster „Frozen Breather“ – ein Atemverhalten, bei dem der Atemfluss immer wieder unbewusst gestoppt wird.
Ein natürlicher Atemzyklus enthält kurze Pausen zwischen Ein- und Ausatmung – diese sogenannten Mikropausen dauern in der Regel weniger als eine Sekunde. Wenn diese Pausen aber grundlos länger werden, kommt es zu Apnoe-Phasen, also Atemaussetzern. Das Ergebnis: Deine Atmung „friert“ ein. Oft geschieht das unbewusst, aber regelmäßig.
Warum „friert“ der Atem ein?
Das Muster des „Frozen Breathers“ entsteht häufig in stressigen Situationen. In Phasen von flachem, schnellem Atmen sinkt der Kohlendioxidspiegel im Körper, und dein System versucht, das durch Atemanhalten auszugleichen. Ein Seufzer kann diesen Kreislauf immer wieder neu starten.
Viele Menschen mit diesem Atemmuster neigen dazu, den Atem so lange anzuhalten, bis eine Aufgabe abgeschlossen ist – ganz nach dem Motto: „Ich atme wieder, wenn ich fertig bin.“ Besonders zielorientierte Menschen sind davon betroffen.
Doch oft steckt mehr dahinter. Chronische Atempausen können sich aus tief verwurzelten Ängsten entwickeln:
- Angst, gesehen oder gehört zu werden
- Angst, weiterzukommen oder etwas loszulassen
- Überforderung in bestimmten Lebenssituationen
In extremen Fällen kann das Einfrieren des Atems sogar eine unbewusste Schutzreaktion des Körpers sein, um sich vor emotionaler Überlastung zu schützen.
Auf körperliche Ebene bringt diese dysfunktionale, erstarrte Atmung den biochemischen Haushalt deines Körpers durcheinander. Ein unregelmäßiges Atemmuster entsteht:
- Du atmest schnell und flach
- Du hältst dann wieder den Atem an
- Zwischendurch kommen tiefe Seufzer
Das passiert immer wieder im Wechsel. Es ist, als ob dein Körper versucht, versäumte Atemzüge nachzuholen. Auf Dauer kann das deinen Energielevel stark reduzieren und deine Konzentration beeinträchtigen. Mental kann es sich so anfühlen, als ob die Zeit stillsteht oder du dich in einem ständigen Kampf gegen die Uhr befindest.
Atemübung bei eingefrorener Atmung – Wie kannst du das Atemmuster lösen?
Um die eingefrorenen Atempausen zu lösen, braucht es vor allem eines: Bewusstsein. Der erste Schritt ist, deinen Atem im Alltag zu beobachten. Sanfte und achtsame Atemübungen können helfen, die eingefrorene Atmung zu lösen. Versuche, mit kleinen, langsamen Atemzügen zu beginnen. Atme bewusst und achtsam ein und aus, ohne den Atem zu erzwingen. Die Ausatmung sollte dabei länger sein als die Einatmung, um das parasympathische Nervensystem zu aktivieren und den Körper zu entspannen.
Hier ist eine einfache Übung, um den eingefrorenen Atem wieder in Fluss zu bringen:
Die bewusste Seufzer-Pause
Eine der einfachsten Möglichkeiten, das erstarrte Atemmuster zu durchbrechen, ist der bewusste Einsatz eines Seufzers.
- Setze dich aufrecht hin
- Atme sanft durch die Nase bis tief in den Bauch ein
- Lass die Ausatmung als langen Seufzer über den Mund heraus
- Spüre, wie dein Körper mit der Ausatmung loslässt
- Wiederhole das 3–5-mal, immer dann, wenn du merkst, dass dein Atem stockt.
5. Dysfunktionale Atmung: Der Atemgreifer (The Breath Grabber)
Was passiert, wenn Dein Atem hetzt und Du „nach Luft schnappst“?
Der Atemgreifer ist jemand, der beim Atmen ständig „nach Luft schnappt“ – oft in schnellen, hektischen Zügen. Dabei fehlt die natürliche Pause zwischen Ein- und Ausatmung. Diese Art des Atmens wirkt unruhig und oberflächlich. Vielleicht kennst du das Gefühl, wenn du in stressigen Momenten fast automatisch anfängst, schneller und flacher zu atmen. Genau das verstärkt häufig innere Unruhe und kann das Gefühl von Angst oder Getriebenheit fördern.
Auch beim Sprechen zeigt sich dieses Muster: Atemgreifer reden oft schnell, fallen anderen ins Wort oder beenden Sätze für ihr Gegenüber – und geraten dabei außer Atem.
Warum entsteht die dysfunktionale Atmung des Atemgreifers?
Das Atemgreifen tritt vor allem in Situationen auf, die Stress oder Druck verursachen. Zum Beispiel bei Konflikten, Konfrontationen oder hitzigen Diskussionen. Oft steckt dahinter das Bedürfnis, gehört zu werden, etwas klarzustellen oder sich zu beweisen.
Dieses Muster zeigt sich aber auch in positiven Momenten, etwa wenn du vor Begeisterung platzt oder viele Ideen hast, die du unbedingt loswerden willst. Das Gefühl dahinter ist oft: „Ich muss jetzt sofort alles sagen – sonst verliere ich die Chance!“
Eine solche dysfunktionale Atmung kann ihren Ursprung auch in der Kindheit haben. Vielleicht hast Du früh gelernt, dass Du laut und schnell sprechen musst, um Aufmerksamkeit zu bekommen – weil Du sonst nicht gehört wirst. Manchmal liegt es aber auch an einem inneren Widerstand: Es fällt schwer, präsent zu sein, loszulassen oder Pausen zuzulassen.
Wenn Du ständig „nach dem nächsten Atemzug greifst“, bleibt dein Körper im Alarmzustand. Das unregelmäßige Atemmuster erhöht den Blutdruck und hindert deinen Geist daran, sich zu entspannen. Du fühlst dich gehetzt, unruhig und ständig „busy“.
Außerdem neigen Atemgreifer dazu, schwer zur Ruhe zu kommen – Stille oder Pausen können unangenehm wirken. Es fehlt der Raum zum Durchatmen.
Atemübung bei dysfunktionaler Atmung für Breath Grabber
Um das Atemgreifen zu unterbrechen, hilft es, deinen Atem bewusst zu beruhigen. Eine einfache und sehr effektive Technik ist die 4-7-8-Atmung:
- Atme durch die Nase ein und zähle dabei bis 4
- Halte den Atem an und zähle bis 7
- Atme langsam durch den Mund aus und zähle dabei bis 8
Wiederhole diese Übung mindestens viermal hintereinander. Die verlängerte Ausatmung wirkt beruhigend auf dein Nervensystem und bringt deinen Atemfluss wieder in einen gleichmäßigen Rhythmus.
Eine weitere Übung, die du jederzeit anwenden kannst, ist das bewusste Einbauen von Pausen in deinen Alltag:
- Mache nach jedem Satz, den du sprichst, eine kurze Atempause
- Halte kurz inne, bevor du auf eine Frage antwortest
- Achte darauf, die nächste Einatmung erst nach einer bewussten Ausatmung kommen zu lassen
Diese kleinen Pausen sind wie Atemanker, die dir helfen, aus dem Modus des „Schnappens“ herauszukommen. Sie geben dir die Möglichkeit, präsenter zu sein und den Moment bewusster wahrzunehmen
6. Dysfunktionale Atmung: Der kontrollierte Atmer (The Breath Controller)
Was kontrolliert der Breath Controller?
Der kontrollierte Atmer scheint auf den ersten Blick ein gesundes Atemmuster zu haben: Die Atmung wirkt ruhig und gleichmäßig. Doch bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass vor allem die Ausatmung stark kontrolliert wird – fast so, als würde sie bewusst „festgehalten“.
Dieses Atemmuster findet sich häufig bei Menschen, die viel Verantwortung tragen oder in Führungspositionen arbeiten. Aber auch Yogis, Athleten und andere, die regelmäßig mit Atemtechniken arbeiten, können unbewusst in dieses Muster verfallen. Die bewusste Steuerung der Atmung, die ursprünglich in einem bestimmten Kontext sinnvoll war, wird zur Dauergewohnheit – sogar im Alltag, wo sie eigentlich nicht nötig wäre.

Warum entsteht diese Form der dysfunktionalen Atmung?
Menschen, die dazu neigen, ihre Atmung zu kontrollieren, haben oft einen starken Drang nach Kontrolle im Leben. Sie möchten sich absichern, alles im Griff haben und auf Nummer sicher gehen. Verantwortungsträger wie Manager, Unternehmer oder Eltern spüren diesen Druck besonders stark.
Das Atemmuster kann auch tieferliegende Ursachen haben. Vielleicht hast du schon früh gelernt, dass du alles selbst in die Hand nehmen musst, um nicht enttäuscht zu werden. Dieses Bedürfnis nach Kontrolle kann sich dann auch in deinem Atemfluss zeigen: Anstatt den Atem einfach fließen zu lassen, wird er bewusst gesteuert – oft aus dem unbewussten Gefühl heraus, dass man sonst die Kontrolle verliert.
Ein zu stark kontrolliertes Atemmuster kann dazu führen, dass der Atemfluss insgesamt weniger frei wird. Statt den natürlichen Rhythmus von Ein- und Ausatmung zuzulassen, entsteht ein Gefühl der Anspannung und des Festhaltens. Das Nervensystem bleibt dabei in einem leicht angespannten Zustand, der Entspannung erschwert.
Menschen, die so atmen, tun sich oft schwer damit, loszulassen – nicht nur beim Atmen, sondern auch im Leben. Sie haben oft Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen, Aufgaben abzugeben oder Dinge einfach geschehen zu lassen. Im Alltag zeigt sich dieses Muster auch darin, dass sie immer wieder den Drang verspüren, alles richtig zu machen. Selbst einfache Aufgaben werden perfektionistisch angegangen, oft mit dem Gefühl: „Ich muss das unbedingt korrekt umsetzen, sonst passiert etwas Schlimmes.“
Natürliche Atmung für kontrollierte Atmer. Wie kann das funktionieren?
Um die Kontrolle loszulassen, hilft es, den Fokus auf die Ausatmung zu verändern. Anstatt den Atem bewusst zu lenken, versuche, die Ausatmung einfach geschehen zu lassen – ohne Zutun. Gerade wenn Du es aus dem Yoga gewohnt bist, dass der Bachnabel beim Ausatmen kraftvoll an die Wirbelsäule herangezogen wird, stelle Dir vor, wie Dein Nabel sanft und natürlich Richtung Bauchnabel fließt.
Eine hilfreiche Übung hierfür ist die Surrender-Atmung:
- Atme durch die Nase sanft ein
- Stelle dir vor, du lässt beim Ausatmen alle Spannung los – wie ein Seufzer
- Lass die Luft ganz natürlich ausströmen, ohne sie zu steuern
Wiederhole das mehrmals hintereinander. Wichtig dabei: Es geht nicht darum, etwas „richtig“ zu machen. Es geht nur ums Loslassen.
6. Dysfunktionale Atmung: Der Perfektions-Atmer (Perfect Breather)

Und da sind wir am Ende der kleinen Atemtypen-Reise angekommen! Zum krönenden Abschluss darf ich Dir den „Perfect Breather“ vorstellen – vielleicht erkennst Du Dich ja wieder.
Der Perfektions-Atmer ist der Mensch, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, jedem Atemzug einen Sinn zu geben. Bloß nichts falsch machen! Schließlich hat man ja schon von all den Atemtechniken gehört, die das Leben verändern können – da muss man doch auch was draus machen, oder?
Dieser Typ atmet eigentlich ziemlich gut. Zumindest äußerlich. Aber innerlich läuft ständig der Scanner mit: „War das jetzt tief genug? Habe ich die richtige Technik benutzt? Und was ist mit dem CO₂? Soll ich vielleicht noch mal…?“
Was dabei verloren geht? Die Freude am Atmen.
Wie entsteht die dysfunktionale Atmung der Perfektionisten?
Der Perfektions-Atmer ist oft jemand, der bereits viel über Atmung weiß. Vielleicht hast er einen Yogakurs besucht, einen Breathwork-Workshop gemacht oder eine Meditations-App auf deinem Handy. Und plötzlich sitzt ihm dieses kleine Stimmchen im Kopf: „Mach es richtig. Es gibt einen perfekten Atem. Finde ihn!“
Besonders Menschen mit einem hohen Anspruch an sich selbst – Manager:innen, Coaches, Eltern, Sportler:innen – neigen dazu, den Atem in die Kategorie „Optimierungsprojekt“ zu stecken. Und genau da wird’s kniffelig: Sobald Du versuchst, etwas zu perfektionieren, was von Natur aus ganz von allein passiert, wird’s verkrampft.
Wie erkennst du den Perfektions-Atmer?
- Du hinterfragst ständig deinen Atem.
- Du willst wissen, ob du „richtig“ atmest.
- Du hältst dich an strikte Atemübungen – selbst in Situationen, wo das eigentlich gar nicht nötig wäre.
- Du bist immer auf der Suche nach der nächsten Technik, um deinen Atem noch besser zu optimieren.
Kurz gesagt: Du machst aus einem natürlichen Prozess ein Projekt.
Atemübungen für Perfektions-Atmer? Erstmal nicht
Wenn Du dieses Atemmuster bei Dir entdeckst, gilt es erstmal einen Gang zurückzuschalten. Atmen ist keine Raketenwissenschaft – es ist ein natürlicher Vorgang, der schon läuft, seit du auf der Welt bist. Klar, es gibt tolle Techniken, die du nutzen kannst. Aber die wichtigste Technik für den Perfektions-Atmer ist es, dem intuitiven Atem wieder mehr Raum zu geben. Hier ist also tatsächlich weniger mehr.
Fazit zur dysfunktionalen Atmung
Die dysfunktionale Atmung, die Donna Farhi in ihrem Buch beschreibt, sind nicht nur physische Phänomene, sondern auch Ausdruck unserer inneren Welt – unserer Gefühle, Gedanken und Erfahrungen. Indem du dich mit diesen Mustern auseinandersetzt und beginnst, bewusst zu atmen, kannst du deine Atmung nicht nur verbessern, sondern auch emotionale Blockaden lösen und mehr Freiheit und Ruhe in deinem Leben erfahren.
Indem du regelmäßig die richtigen Atemübungen praktizierst und Achtsamkeit übst, kannst Du Deine Atmung wieder in Einklang bringen – und damit Dein gesamtes Wohlbefinden steigern.
Falls du jetzt denkst: ‚Oh je, welcher Typ bin ich denn?!‘ – keine Sorge, darum geht’s gar nicht. Atmen ist kein Wettbewerb. Atmen ist nichts, was Du neu lernen musst, es läuft zum Glück ganz automatisch – aber manchmal hilft es, den Autopiloten neu zu kalibrieren.
Aber wenn du neugierig bist, wie du deinen Atem ganz ohne Leistungsdruck verbessern kannst, lass uns quatschen!
Haftungsausschluss:
Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und ersetzt keine medizinische oder therapeutische Beratung. Die beschriebenen Atemmuster und Übungen sind allgemeine Empfehlungen zur Förderung eines bewussteren Atmens. Bei chronischen Beschwerden oder gesundheitlichen Problemen solltest du immer eine:n Arzt:Ärztin, Therapeut:in oder eine andere medizinische Fachkraft konsultieren. Die Anwendung der Übungen erfolgt auf eigene Verantwortung.